Und was würdest du tun, wenn Alles auf dem Spiel steht?


 

»Wenn jeder eines jeden Feind ist …dann ist kein Platz für Fleiß und Ackerbau ... keine Wissenschaft, keine Zeitrechnung, keine Künste, keine Literatur, keine Gesellschaft. Und was das Schlimmste ist: Es herrscht stetige Furcht und die Gefahr eines gewaltsamen Todes. Das Leben des Menschen ist einsam, armselig, garstig, brutal und kurz.«, Zitat von Thomas Hobbes, Philosoph

 

 In seinem gesellschaftsphilosophischen Roman beschreibt John Ironmanger, dass die Menschen zu mehr fähig sind, als man erwartet.

 

 Im kleinen Fischerort St. Piran wird ein halb ertrunkener nackter Mann am Strand gefunden und gerettet. Dann strandet ein riesiger Finnwal. Joe Haak, der nackte Mann, koordiniert unter den dreihundertsieben Bewohnern eine beispiellose Rettungsaktion. Der Wal kommt im letzten Moment frei. Joe, der nach einem Sprung ins Meer abgetrieben wurde, ist überzeugt, dass dieser Wal ihn im hilflosen Zustand an Land gebracht hat. Nach der Rettungsaktion wird Joe von allen als Held betrachtet.

 

Joe ist Mathematiker und hat seine Arbeit bei einem großen Finanzinvestor verloren. Seine Aufgabe war es, eine Software zu entwickeln, mit der Vorhersagen über die Aktienkurse gemacht werden können. Cassie, das Programm hat dazu alle weltweit verfügbaren Pressemitteilungen analysiert und die komplexen internationalen Abhängigkeiten, verknüpft mit völlig verschiedenen politischen Systemen, ermittelt. In der Software wurden sogar menschliche Verhaltensweisen wie Egoismus einprogrammiert und auch ein Kollaps sollte vorhergesagt werden können.

 

Während seines Aufenthaltes in St. Piran ist Joe Haak sicher, dass der Kollaps aufgrund einer Grippepandemie bevorsteht. Er entschließt sich, sein gesamtes Vermögen in Nahrungsmittel zu investieren und für alle Dorfbewohner im Kirchturm zu stapeln. Und dann passiert es tatsächlich. Es gibt keine Nahrungsmittelversorgung mehr, Strom und Wasser stehen nicht zur Verfügung. Das Dorf übersteht die Zeit bis zur Wiedererlangung des Normalzustandes und lädt noch die Einwohner des Nachbarortes zu einer großen Weihnachtsfeier mit Essen für alle ein. In dieser Zeit strandet der Wal erneut in St. Piran. Er wurde offensichtlich von Fischern auf Nahrungssuche angeschossen und hat sich mit letzter Kraft hierher geschleppt. Er starb am Strand und wurde zur willkommenen Mahlzeit. Ist er absichtlich hierher geschwommen, wo er einst gerettet wurde? Die vielen unterschiedlichen Charaktere werden brillant beschrieben, es gibt die üblichen erotischen Verwicklungen, Joe ist ein gutaussehende Mann mit einem teuren Sportwagen und löst mit seiner Präsenz die langweilige Gewöhnung an die immerwährenden Wiederholungen des eintönigen Lebens aus der Lethargie. Er verlässt mit einer Segelyacht und der senegalesischen Krankenschwester Aminata, die eine brillante Sängerin und im Bett sehr laut ist, bei Sonnenaufgang den Ort, um Abschiedszeremonien zu vermeiden. Entgegen seines Vorhabens stehen viele Einwohner zur Verabschiedung am Hafen.

 

Dieser Roman besticht durch fortwährende Überraschungen und hat mich förmlich in den Text hineingezogen. Er ist geprägt von einer tiefen Menschlichkeit von der ersten bis zur letzten Seite. Immer wieder wird man zum Nachdenken angeregt, zum großen Teil in tiefgründigen Dialogen. Zwangsläufig zieht man Vergleiche zur Corona-Pandemie. Es gibt den Glauben an die Menschlichkeit in schwerer Zeit zurück. Wer nicht an die Menschlichkeit glauben kann oder will, wird während der Corona-Pandemie eines Besseren belehrt. Der von Ironmonger immer wieder genannte Gesellschaftsphilosoph Hobbes, der eigentlich ein negatives Menschenbild hatte, wird in dem Roman zu recht oder unrecht ad absurdum geführt. Der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau dagegen geht in seinem mehr als 100 Jahre später erschienenen »Contrat social« von einem grundsätzlich positiven Menschenbild aus. Wer von beiden richtig lag, werden wir vermutlich nie erfahren. Eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe.

 

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